Secobra-Zuchtleiter
Dr. Hubert Kempf
“Die große Kunst ist es, die Riesenmengen an Daten in den Zuchtprozess einzubauen.”
Erfolg am laufenden Meter: Die Secobra-Weizensorten gewinnen Vermehrungsfläche. FOTOS: SECOBRA
Neuer Spitzenreiter: Asory nimmt 2021 die größte Vermehrungsfläche der Winterweizensorten ein.
Leidenschaft plus Strategie
„Die Resistenzzüchtung ist schon immer mein Steckenpferd“
Der Secobra-Zuchtleiter Dr. Hubert Kempf beschreibt das Erfolgsrezept für erfolgreiche Weizensorten.
Hubert Kempf ist einer der erfahrensten deutschen Weizenzüchter. Die agrarzeitung fragt ihn nach dem Rezept für erfolgreiche Sorten und wie sie in Zukunft aussehen werden.
agrarzeitung: Was bringt mehr Erfolg in der Weizenzüchtung: das erfahrene Auge des Züchters oder die ausgereifte Züchtungstechnologie? Hubert Kempf: Die Kunst besteht darin, beides zu kombinieren. Neue Züchtungstechnologien wie Genomische Selektion oder Marker-gestützte Kreuzungen und Selektionen sind sinnvolle neue Werkzeuge. Ihre Anwendung wird aus meiner Sicht den Züchtungsfortschritt beschleunigen oder mindestens absichern können. Hier gab es in den vergangenen Jahren wirklich bahnbrechende Entwicklungen, die es zu prüfen und zu nutzen gilt. Die Ergebnisse dieser Methoden müssen aber immer wieder auf dem Feld überprüft und abgesichert werden, sprich: Der Züchterblick wird weiterhin nicht an Wichtigkeit verlieren.
Was bedeutet diese Entwicklung für Ihre tägliche Arbeit? Züchter verbringen heute viel mehr Zeit als früher am Computer. Mich hat das aber nie abgeschreckt. Je besser die Datenbasis, desto präziser lässt sich selektieren und neuerdings lassen sich ebenfalls genaue genomische Zuchtwerte berechnen. Die große Kunst ist allerdings auch hier, diese Riesenmengen an Daten klug zu händeln und in den Zuchtprozess einzubauen.
Wo steht die deutsche Weizenzüchtung heute? Wie überaus erfolgreich die deutschen Züchter sind, sehen Sie allein an der Vielzahl der zugelassenen Sorten. Allein in diesem Frühjahr sind wieder 13 Winterweizensorten neu zugelassen worden. Hinzu kommen zwei Sorten, die eigens für den ökologischen Landbau geprüft sind. Dahinter steht ein enormer Züchtungsfortschritt im Hinblick auf die Erträge, aber auch in Richtung der Kombination aller wertbestimmenden Eigenschaften wie Resistenzen und Qualität.
Gibt es eine ideale Weizensorte, die Sie anstreben? Die Resistenzzüchtung ist schon immer mein Steckenpferd. Mein Ideal war und ist, Weizen zu züchten, der so wenig wie möglich oder am besten gar keinen Wachstumsregler und Fungizide braucht und trotzdem ansehnliche Erträge und gute Qualitäten bringt. Dieses Ziel ist aus meiner Sicht mit vielen Sorten mittlerweile erreicht. Auf vielen Standorten erzielen Landwirte mit gesunden Sorten durch höhere Pflanzenschutzintensität keinen wirtschaftlichen Mehrertrag mehr. Das gilt auch für etliche Weizensorten meiner Züchterkollegen. Wir haben 2020 in der Wertprüfung Weizenerträge von 100 Dezitonnen pro Hektar im Schnitt aller Versuche in der unbehandelten Variante erzielt!
Dann müssen Sie doch sehr zufrieden sein? Nicht ganz. Die Resistenz der Sorten wird leider von den Landwirten zu wenig gewürdigt. Zu sehr schauen viele bei der Sortenwahl noch auf den Ertrag in der Stufe 2 – in der mit Pflanzenschutz behandelten Variante. Wie die politische Entwicklung mit verschärften Auflagen und Reduktionszielen für den chemischen Pflanzenschutz weitergeht, muss man sehen. Man wird hier hoffentlich nicht zu weit gehen, da wir weiterhin in manchen Bereichen effektive Pflanzenschutzmittel brauchen. Gegen Ramularia bei der Gerste haben wir beispielsweise keine Sortenresistenzen. Und wenn neue Gelbrostrassen in Weizen auftauchen, sollten wir behandeln können.
Wo gehen Sie in der Züchtung Kompromisse ein? Kompromisse muss der Züchter immer bei solchen Merkmalen eingehen, die relativ selten auftreten und deswegen nur schwierig zu prüfen sind. Ein Beispiel ist die Winterhärte. Vielleicht erinnern sich manche noch an das Jahr 2012 mit einem extremen Kälteeinbruch im Februar. Damals sind einige Weizensorten erfroren. Natürlich war dann plötzlich Auswinterung bei Landwirten ein Thema, aber genauso schnell ist es wieder vergessen. Solche Ereignisse treten hierzulande flächendeckend erfahrungsgemäß nur etwa alle 20 Jahre auf.
Unter welchen Bedingungen findet Weizenzüchtung in 25 Jahren statt? Das ist der Blick in die Kristallkugel, der immer unsicher ist. Entscheidend ist, ob wir zu vielfältigeren Fruchtfolgen zurückkehren und über einen guten Pflanzenbau viele Probleme im Vorfeld lösen können. Ob Weizenzüchter bis dann neue Züchtungstechnologien anwenden dürfen, die heute als ‚Gentechnik‘ klassifiziert werden, ist für mich offen. Persönlich glaube ich aber, dass diese Methoden überschätzt werden und man sicherlich noch viel über Genfunktionen lernen muss.
Setzt sich der Ertragszuwachs bei Weizen fort? Ich denke, dass deutsche Weizenzüchter in den kommenden Jahren gesunde und robuste Sorten bereitstellen werden, die noch einen Ertragszuwachs bringen beziehungsweise unter den Bedingungen des zunehmenden Klimawandels die Erträge stabil halten. Ich halte in einigen Jahren einen durchschnittlichen Kornertrag von 80 bis 120 Dezitonnen pro Hektar je nach Region für durchaus realistisch. Die Resistenzzüchtung geht ebenfalls weiter und wird vermutlich auch gegen Insekten und Virosen Lösungen bieten.
Wie lassen sich mehr Landwirte künftig von Z-Saatgut überzeugen? Nur durch eine gute Saatgutqualität sowie durch die entsprechende Sortenleistung. Hier können die Züchter nur Überzeugungsarbeit leisten. Ich glaube, dass viele Landwirte gar nicht wissen, welcher Aufwand mittlerweile in der Züchtung steckt. Es wäre auch schon viel geholfen, wenn alle Landwirte ihren Nachbau erklären würden.
Was muss ein junger Züchter, eine junge Züchterin mitbringen, um erfolgreiche Sorten zu entwickeln? Als Erstes Leidenschaft für die Pflanzen beziehungsweise die Kulturart, die zu bearbeiten ist! Hinzu muss der Wille kommen, die praktischen und wissenschaftlichen Methoden, die für den Erfolg wichtig sind, zu erlernen. Selbstverständlich braucht es auch die Bereitschaft, die Sommermonate auf dem Feld zu verbringen – auch an den Wochenenden. Wichtig sind außerdem Fleiß und Sorgfalt, denn alle Beobachtungen, die man in der aktuellen Vegetationsperiode übersieht oder vergisst zu dokumentieren, können erst im Folgejahr wieder beobachtet werden und damit die Selektion um ein Jahr verzögern.
Welche Erfolge haben Sie selbst als Weizenzüchter erlebt? Jede Sortenzulassung beim Bundessortenamt ist für den Weizenzüchter ein Erfolg. Die Krönung sind sicherlich die neueren Sorten Asory, Campesino, Gentleman, Kastell und Komponist. Es gibt doch eigentlich nichts Schöneres als zu sehen, dass sich langjährige Arbeit gelohnt hat. Auch unsere ‚kleine Ökozüchtung‘ trägt aktuell mit Wendelin, Purino und Blickfang Früchte. Auch haben wir – lange bevor von politischer Seite die Agrarwende eingeläutet wurde – schon bei der Saatzucht Schweiger dieses Segment züchterisch bearbeitet.
Und welche Misserfolge mussten Sie wegstecken? Misserfolge gibt es immer. Sie gehören aber dazu. Der Züchter muss damit leben, wenn Stämme in der Wertprüfung nicht aufsteigen oder Sorten in den Landessortenversuchen schlecht abschneiden.
Was zählt mehr für den Erfolg: Glück oder Strategie? Den größten Anteil hat sicherlich die Strategie, die ein umfangreiches Zuchtprogramm mit den richtigen Standorten, den richtigen Methoden und klaren Zielvorgaben umfasst. Der von mir sehr geschätzte Züchterfreund und Kollege Ebrahim Kazman hat es immer so formuliert: ‚Man muss in der Züchtung Bedingungen schaffen, damit das Glück auch eintreten kann.‘ Nicht zu vergessen ist hier auch das gesamte Züchtungsteam einer Firma. Ein Züchter kann nur erfolgreich sein, wenn er engagierte Mitarbeiter an seiner Seite hat – und dies war/ist bei mir dankenswerter Weise der Fall.
Interview: Dagmar Behme
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Secobra-Zuchtleiter
Dr. Hubert Kempf
Leidenschaft plus Strategie
„Die Resistenzzüchtung ist schon immer mein Steckenpferd“
Photo: Privat
Der Secobra-Zuchtleiter Dr. Hubert Kempf beschreibt das Erfolgsrezept für erfolgreiche Weizensorten.
Hubert Kempf ist einer der erfahrensten deutschen Weizenzüchter. Die agrarzeitung fragt ihn nach dem Rezept für erfolgreiche Sorten und wie sie in Zukunft aussehen werden.
agrarzeitung: Was bringt mehr Erfolg in der Weizenzüchtung: das erfahrene Auge des Züchters oder die ausgereifte Züchtungstechnologie? Hubert Kempf: Die Kunst besteht darin, beides zu kombinieren. Neue Züchtungstechnologien wie Genomische Selektion oder Marker-gestützte Kreuzungen und Selektionen sind sinnvolle neue Werkzeuge. Ihre Anwendung wird aus meiner Sicht den Züchtungsfortschritt beschleunigen oder mindestens absichern können. Hier gab es in den vergangenen Jahren wirklich bahnbrechende Entwicklungen, die es zu prüfen und zu nutzen gilt. Die Ergebnisse dieser Methoden müssen aber immer wieder auf dem Feld überprüft und abgesichert werden, sprich: Der Züchterblick wird weiterhin nicht an Wichtigkeit verlieren.
Was bedeutet diese Entwicklung für Ihre tägliche Arbeit? Züchter verbringen heute viel mehr Zeit als früher am Computer. Mich hat das aber nie abgeschreckt. Je besser die Datenbasis, desto präziser lässt sich selektieren und neuerdings lassen sich ebenfalls genaue genomische Zuchtwerte berechnen. Die große Kunst ist allerdings auch hier, diese Riesenmengen an Daten klug zu händeln und in den Zuchtprozess einzubauen.
Wo steht die deutsche Weizenzüchtung heute? Wie überaus erfolgreich die deutschen Züchter sind, sehen Sie allein an der Vielzahl der zugelassenen Sorten. Allein in diesem Frühjahr sind wieder 13 Winterweizensorten neu zugelassen worden. Hinzu kommen zwei Sorten, die eigens für den ökologischen Landbau geprüft sind. Dahinter steht ein enormer Züchtungsfortschritt im Hinblick auf die Erträge, aber auch in Richtung der Kombination aller wertbestimmenden Eigenschaften wie Resistenzen und Qualität.
Gibt es eine ideale Weizensorte, die Sie anstreben? Die Resistenzzüchtung ist schon immer mein Steckenpferd. Mein Ideal war und ist, Weizen zu züchten, der so wenig wie möglich oder am besten gar keinen Wachstumsregler und Fungizide braucht und trotzdem ansehnliche Erträge und gute Qualitäten bringt. Dieses Ziel ist aus meiner Sicht mit vielen Sorten mittlerweile erreicht. Auf vielen Standorten erzielen Landwirte mit gesunden Sorten durch höhere Pflanzenschutzintensität keinen wirtschaftlichen Mehrertrag mehr. Das gilt auch für etliche Weizensorten meiner Züchterkollegen. Wir haben 2020 in der Wertprüfung Weizenerträge von 100 Dezitonnen pro Hektar im Schnitt aller Versuche in der unbehandelten Variante erzielt!
Dann müssen Sie doch sehr zufrieden sein? Nicht ganz. Die Resistenz der Sorten wird leider von den Landwirten zu wenig gewürdigt. Zu sehr schauen viele bei der Sortenwahl noch auf den Ertrag in der Stufe 2 – in der mit Pflanzenschutz behandelten Variante. Wie die politische Entwicklung mit verschärften Auflagen und Reduktionszielen für den chemischen Pflanzenschutz weitergeht, muss man sehen. Man wird hier hoffentlich nicht zu weit gehen, da wir weiterhin in manchen Bereichen effektive Pflanzenschutzmittel brauchen. Gegen Ramularia bei der Gerste haben wir beispielsweise keine Sortenresistenzen. Und wenn neue Gelbrostrassen in Weizen auftauchen, sollten wir behandeln können.
Wo gehen Sie in der Züchtung Kompromisse ein? Kompromisse muss der Züchter immer bei solchen Merkmalen eingehen, die relativ selten auftreten und deswegen nur schwierig zu prüfen sind. Ein Beispiel ist die Winterhärte. Vielleicht erinnern sich manche noch an das Jahr 2012 mit einem extremen Kälteeinbruch im Februar. Damals sind einige Weizensorten erfroren. Natürlich war dann plötzlich Auswinterung bei Landwirten ein Thema, aber genauso schnell ist es wieder vergessen. Solche Ereignisse treten hierzulande flächendeckend erfahrungsgemäß nur etwa alle 20 Jahre auf.
Unter welchen Bedingungen findet Weizenzüchtung in 25 Jahren statt? Das ist der Blick in die Kristallkugel, der immer unsicher ist. Entscheidend ist, ob wir zu vielfältigeren Fruchtfolgen zurückkehren und über einen guten Pflanzenbau viele Probleme im Vorfeld lösen können. Ob Weizenzüchter bis dann neue Züchtungstechnologien anwenden dürfen, die heute als ‚Gentechnik‘ klassifiziert werden, ist für mich offen. Persönlich glaube ich aber, dass diese Methoden überschätzt werden und man sicherlich noch viel über Genfunktionen lernen muss.
Setzt sich der Ertragszuwachs bei Weizen fort? Ich denke, dass deutsche Weizenzüchter in den kommenden Jahren gesunde und robuste Sorten bereitstellen werden, die noch einen Ertragszuwachs bringen beziehungsweise unter den Bedingungen des zunehmenden Klimawandels die Erträge stabil halten. Ich halte in einigen Jahren einen durchschnittlichen Kornertrag von 80 bis 120 Dezitonnen pro Hektar je nach Region für durchaus realistisch. Die Resistenzzüchtung geht ebenfalls weiter und wird vermutlich auch gegen Insekten und Virosen Lösungen bieten.
Wie lassen sich mehr Landwirte künftig von Z-Saatgut überzeugen? Nur durch eine gute Saatgutqualität sowie durch die entsprechende Sortenleistung. Hier können die Züchter nur Überzeugungsarbeit leisten. Ich glaube, dass viele Landwirte gar nicht wissen, welcher Aufwand mittlerweile in der Züchtung steckt. Es wäre auch schon viel geholfen, wenn alle Landwirte ihren Nachbau erklären würden.
Was muss ein junger Züchter, eine junge Züchterin mitbringen, um erfolgreiche Sorten zu entwickeln? Als Erstes Leidenschaft für die Pflanzen beziehungsweise die Kulturart, die zu bearbeiten ist! Hinzu muss der Wille kommen, die praktischen und wissenschaftlichen Methoden, die für den Erfolg wichtig sind, zu erlernen. Selbstverständlich braucht es auch die Bereitschaft, die Sommermonate auf dem Feld zu verbringen – auch an den Wochenenden. Wichtig sind außerdem Fleiß und Sorgfalt, denn alle Beobachtungen, die man in der aktuellen Vegetationsperiode übersieht oder vergisst zu dokumentieren, können erst im Folgejahr wieder beobachtet werden und damit die Selektion um ein Jahr verzögern.
Welche Erfolge haben Sie selbst als Weizenzüchter erlebt? Jede Sortenzulassung beim Bundessortenamt ist für den Weizenzüchter ein Erfolg. Die Krönung sind sicherlich die neueren Sorten Asory, Campesino, Gentleman, Kastell und Komponist. Es gibt doch eigentlich nichts Schöneres als zu sehen, dass sich langjährige Arbeit gelohnt hat. Auch unsere ‚kleine Ökozüchtung‘ trägt aktuell mit Wendelin, Purino und Blickfang Früchte. Auch haben wir – lange bevor von politischer Seite die Agrarwende eingeläutet wurde – schon bei der Saatzucht Schweiger dieses Segment züchterisch bearbeitet.
Und welche Misserfolge mussten Sie wegstecken? Misserfolge gibt es immer. Sie gehören aber dazu. Der Züchter muss damit leben, wenn Stämme in der Wertprüfung nicht aufsteigen oder Sorten in den Landessortenversuchen schlecht abschneiden.
Was zählt mehr für den Erfolg: Glück oder Strategie? Den größten Anteil hat sicherlich die Strategie, die ein umfangreiches Zuchtprogramm mit den richtigen Standorten, den richtigen Methoden und klaren Zielvorgaben umfasst. Der von mir sehr geschätzte Züchterfreund und Kollege Ebrahim Kazman hat es immer so formuliert: ‚Man muss in der Züchtung Bedingungen schaffen, damit das Glück auch eintreten kann.‘ Nicht zu vergessen ist hier auch das gesamte Züchtungsteam einer Firma. Ein Züchter kann nur erfolgreich sein, wenn er engagierte Mitarbeiter an seiner Seite hat – und dies war/ist bei mir dankenswerter Weise der Fall.
Interview: Dagmar Behme