
Technische Revolution voraus
Die Landwirtschaft steht in den kommenden Jahrzehnten vor der wahrscheinlich größten Transformation aller Zeiten. Digitalisierung und Automatisierung werden viele Arbeitsprozesse grundlegend verändern. Der Klimawandel wird auch in der Agrarbranche in vielen Bereichen ein radikales Umdenken erzwingen. Für uns Agrarjournalisten bedeutet dies: Selten waren unsere Kernkompetenzen – Recherchieren, Analysieren und Einordnen – so gefordert.
Stefanie Pionke, az-Chefredakteurin
Editorial
Die agrarzeitung (az) hat in den 75 Jahren ihres Bestehens viele Veränderungen in der Landwirtschaft begleitet.
Seien es technische Revolutionen in Acker und Stall oder agrarpolitische Reformen. Doch aktuell steht die Branche vor einer besonders tiefgreifenden Transformation: Der Megatrend Nachhaltigkeit mit seinem wohl stärksten Treiber Klimaschutz wird die landwirtschaftliche Produktion in den kommenden Jahren und Jahrzehnten grundlegend verändern. Digitale Innovationen unter den Schlagwörtern Smart- oder Precision Farming treten an, Erträge zu stabilisieren oder gar zu steigern und gleichzeitig den Einsatz von Betriebsmitteln zu reduzieren. Die gesamte Wertschöpfungskette von Feld und Stall bis zum Teller wird mittels digitaler Technologien zunehmend vernetzt werden. Das wiederum wird die Art und Weise verändern, in der Agrarerzeugnisse vermarktet werden. Der Klimawandel wird zudem seinen Tribut fordern, Anpassungsstrategien in der landwirtschaftlichen Erzeugung erforderlich machen und auch Auswirkungen darauf haben, welche Feldfrüchte künftig wo gedeihen. Die vorliegende Jubiläumsausgabe der az wagt in diesem Spannungsfeld das Experiment, aufzuzeigen, wie Landwirtschaft in ihren verschiedenen Facetten im Jahr 2046 – zum 100. Geburtstag der agrarzeitung – aussehen wird.
Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre! Ihr Team der agrarzeitung
az zum Hören Pünktlich zur Jubiläumsausgabe gibt es die agrarzeitung zum Hören: Egal, ob unterwegs mit Auto, Bus oder Bahn, auf dem Schlepper oder beim Sport – lassen Sie sich die Berichte unter www.agrarzeitung.de vorlesen – so sind Sie jederzeit und überall auf dem neuesten Stand!

Faszination Proteine
Proteine sind für mich die Ernährungsbausteine der Zukunft. Wissenschaftler charakterisieren pflanzliche Rohstoffe im Hinblick auf eine effiziente Proteinverarbeitung. Ackerbohne, Erbse, Kichererbse, Lupine, Raps sowie deren Nebenprodukte enthalten genug Eiweiß, das wir nachhaltig nutzen können. Ziel ist, die Proteine selbst herzustellen. Verarbeitungsverfahren werden dem pflanzlichen Rohstoff angepasst und ein Geschmacksprofil erstellt. Das Abholzen von Regenwäldern für den Anbau von Sojabohnen hat ein Ende.
Daphne Huber, Stellvertretende Chefredakteurin az

Gespür für Trends
Die Agrarmedien stehen vor ebenso großen Herausforderungen wie die Landwirtschaft. Parallel gilt für die agrarzeitung, die ich seit mehr als einem Vierteljahrhundert mitgestalte: Es kommt auf die Macherinnen und Macher an, die mit sicherem Gespür für Trends, aber ausreichender Bodenhaftung, relevante Informationen identifizieren und journalistisch aufbereiten. Entscheidend ist, dass die agrarzeitung auch künftig neugierige und tatkräftige junge Menschen für den Agrarjournalismus begeistern kann.
Dagmar Behme, az-Redakteurin

Neue Förderkulisse
Die Landwirtschaft ist ein besonderer Wirtschaftssektor: In 25 Jahren wird es deshalb noch eine EU-Agrarpolitik geben. Weil landwirtschaftlich erzeugte Produkte auf dem Teller von jedem landen, werden Steuerzahler weiterhin „mitregieren“ wollen. Allerdings wird sich die Förderkulisse verändert haben. Zwar gibt es 2046 noch Umweltprämien, denn Klimaschutz ist nur mithilfe von finanziellen Anreizen zu erreichen. Aber die Flächenprämien werden bis dahin weitgehend eingestellt worden sein.
Axel Mönch, az-Korrespondent für EU-Agrarpolitik

Gemeinwohl- statt Flächenprämie
In 25 Jahren wird das Leitbild der Zukunftskommission Landwirtschaft maßgeblich die Agrarpolitik im Bund beeinflusst haben. Zwar war im Juli 2021 zur Veröffentlichung des Abschlussberichts der Kommission die Skepsis groß, ob die Leitlinien, auf die sich das Gremium nach mühsamen Verhandlungen geeinigt hatte, in der politischen Debatte verfangen. Doch die Lehren, die Politiker unweigerlich aus der Corona-Pandemie zogen, führten dazu, die heimische Landwirtschaft zu stärken und ihre Akzeptanz mit einer Umwandlung der Flächen- in eine Gemeinwohlprämie zu fördern.
Henrike Schirmacher, az-Korrespondentin Berlin

Nutztiere im Hightech-Zoo
Auch in Zukunft bleibt die Tierproduktion ein fester Bestandteil der Landwirtschaft. Die Haltungsbedingungen orientieren sich in erster Linie an den Bedürfnissen der Tiere. Roboter übernehmen mehr und mehr Aufgaben. Die Tiere sind umgeben von Sensoren und Kameras. Künstliche Intelligenz übernimmt die Steuerung. Wichtigste Aufgabe des Tierhalters ist die Kommunikation, denn die Zahl der Menschen, die die Tierhaltung zur Lebensmittelgewinnung verbieten wollen, steigt – trotz aller Fortschritte.
Steffen Bach, Redakteur az-Online

Effizient mit Künstlicher Intelligenz
In den kommenden Jahren gilt es, die landwirtschaftliche Produktion und die aus ihr resultierenden Umweltleistungen auf dem Acker und im Stall in eine neue Balance zu bringen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die hohen gesellschaftlichen Erwartungen und die zunehmenden Auswirkungen des globalen Klimawandels sind in diesem Prozess angemessen zu berücksichtigen. Methoden der Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz werden dabei helfen, dass Betriebsabläufe und Produktionsprozesse effizienter und nachhaltiger werden.
Olaf Schultz, az-Redakteur

Buntes Bild
Das Bild auf den landwirtschaftlichen Flächen wird zukünftig bunter werden. Waren Monokulturen in den vergangenen Jahren regional an der Tagesordnung, beantwortet die Landwirtschaft die Forderungen der Gesellschaft mit neuer Vielfalt. Bisher unbekannte Feldfrüchte bereichern Fruchtfolge und Anblick in der Landschaft. Die Landwirtschaft ist nach meiner Wahrnehmung für Herausforderungen bereit. Sie wird sich auch zukünftig stärker mit Boden und natürlichen Ressourcen auseinandersetzen. Die Chancen werden genutzt.
Dagmar Hofnagel, az-Korrespondentin
