Horst Hermannsen, Korrespondent der agrarzeitung. Foto: az
Kompetent und Kritisch
Positive Aussichten für unabhängigen Agrarjournalismus
Kompetent und Kritisch
Positive Aussichten für unabhängigen Agrarjournalismus
Horst Hermannsen, Korrespondent der agrarzeitung. Foto: az
Strukturwandel macht Fachjournalismus zur Herausforderung
Landwirtschaftliche Leser erwarten hohe Kompetenz von „ihren“ Agrarjournalisten. Zeitungen punkten, wenn sie auch mal kritisch überspitzen und sich nicht vom Wohlwollen der Anzeigenkunden abhängig machen.
Souveräne Journalisten sind das Herz der Zeitung. Für ihre Verlage sind sie so etwas wie ein wirtschaftlicher Motor. Wertschätzung bei den Lesern bringt Auflage. Damit kann das Medium zwei Güter gleichzeitig verkaufen: die Zeitung als begehrtes Produkt und den Anzeigenplatz, der auch nach der Auflage kalkuliert wird. Insgesamt schrumpft der Werbekuchen für Printmedien. Die Linie lässt sich zurückverfolgen: bessere Werbeeinnahmen durch höhere Auflage, höhere Auflage durch guten Journalismus, der Anerkennung bei den Lesern findet. Diese Achtung ist nur zu erreichen, wenn redaktionelle Arbeit nicht am Wohlwollen der Anzeigenkunden ausrichtet wird, wie es nicht selten in der Agrarpresse zu beobachten ist.
Landwirtschaftliche Publikationen stellen eine besondere Art von Wirtschaftszeitungen dar. Dabei überwiegen verbands- oder organisationsabhängige Blätter, die den fachlichen Bereich meist gut abdecken. Wirklich unabhängige Agrarzeitungen dagegen sind die Ausnahme.
Eine kompetente und kritische Feder ist gefragt. Foto: IMAGO/Westend 61
Hoher Anpassungsdruck
Ob Verbandsblätter oder unabhängige Zeitungen, die Agrarmedien stehen seit Jahren unter Anpassungsdruck. Sie haben als Folge des landwirtschaftlichen Strukturwandels immer weniger Leser. Zugleich verlangen die Rezipienten wegen der voranschreitenden Modernisierung und Spezialisierung ihrer Wirtschaftsweise, eine hohe Qualifikation „ihrer“ Agrarjournalisten. Die wiederum werden sich künftig noch mehr um Lesbarkeit bemühen müssen. Womöglich entwickelt sich auch der Agrarjournalismus teilweise in Richtung Boulevard. Darunter darf aber keinesfalls die Seriosität leiden. Die bäuerlichen Leser der Zukunft werden sich weniger Zeit nehmen, um die Inhalte zu konsumieren. Einer übersichtlich gestalteten Zeitung, die leserfreundlich aufgemacht ist, gehört die Zukunft. Das grafisch ansprechende Erscheinungsbild mit reichlichen Illustrationen in Form von Fotos und Infografiken ist hier der Wegbereiter. Gefragt ist der Erlebniswert beim Lesen, denn der ist durch das Fernsehen gewissermaßen „verbildert“.
Es gibt Strömungen innerhalb der Landwirtschaft, die eine kritische Auseinandersetzung mit Funktionären und Politik fordern. Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich
Ideologiefreie Berichterstattung
Die Aussicht für unabhängiger Agrarmedien ist positiv: Es gibt in der Landwirtschaft Strömungen, die sich nicht mehr kritiklos mit Bauernverbänden und den mit ihnen verbandelten Parteien solidarisieren. Sie erwarten eine ideologiefreie Berichterstattung auch im agrarpolitischen Bereich, den nur unabhängige Blätter bieten können. Grundsätzlich brauchen aktive Betriebsleiter die agrarischen Medien, um sich technisch und betriebswirtschaftlich weiterzubilden, um über die aktuelle Marktlage informiert zu sein. Die Redaktionen müssen sich bemühen, im Gespräch zu bleiben. Dazu eigenen sich auch Kommentare, die gelegentlich überspitzen und so kontroverse Reaktionen auslösen können. Nichts langweilt mehr als der Gleichklang des Haltungsjournalismus. Agrarmedien mit hohem Nutzwert, die Anlass für lebhafte Diskussionen bieten, werden ihre Leser finden.
Von Horst Hermannsen