Der Countdown geht weiter. Heute porträtieren wir drei neue Top 30 Changemaker: Dr. Regina Birner, die als Leiterin der Zukunftskommission Landwirtschaft dafür sorgt, dass Umwelt- und Landwirtschaftsverbände an einem Strang ziehen. Der Sterne-Koch und Bio-Pionier Simon Tress, der zeigt, dass nicht nur Gourmet- und Bio-Küche zusammen passen, sondern dass Bio in der breiten Gastronomie ebenfalls funktioniert. Und schließlich: Sebastian Rakers, Co-Founder von BLUU Seafood, sucht die Formel für zellbasierten Fisch.

Sebastian Rakers
Co-Founder von BLUU Seafood
Was brauchen wir, um Veränderung erreichen zu können?
„Akzeptanz und Menschen, die von einer Transformation überzeugt sind. Daher ist Aufklärung und Teilhabe so wichtig.“
Der promovierte Meeresbiologe war schon immer fasziniert vom Meer. „Aber das, was wir mit ihm und seinen Bewohnern machen, ist oft ausbeuterisch und nicht nachhaltig“, sagt er. Nach zwölf Jahren in der angewandten Forschung wechselte er in die Praxis. „Ein entscheidender Moment war sicherlich die Gründung des ersten Start-ups für zellbasierten Fisch in den USA. Da dachte ich, das können wir in Europa auch- wenn nicht besser.“ BLUU Seafood nimmt das Tier aus der Gleichung. Statt Fische zu halten oder zu fangen, kultivieren sie deren Stammzellen, aus denen sie dann Fischprodukte herstellen können. „Das bietet viele Vorteile: eine komplette Produktionskontrolle, kurze Fertigungswege, weniger negativer Umwelteinfluss und natürlich kein Tierleid.“ Die ersten Schritte in Richtung Zulassung sind gemacht, der Weg ist jedoch noch weit. Ein Problem ist die Bürokratie: „Natürlich wollen wir sichere Lebensmittel. Aber dass Neuzulassungen bis zu fünf Jahre dauern können, ist nicht akzeptabel.“

Regina Birner
Professorin, Agrarwissenschaftlerin und Leiterin der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL)
Was inspiriert Dich in Deiner Arbeit?
"Am meisten inspirieren mich die Initiativen aus der Praxis, wo Menschen vor Ort nachhaltige Ideen umsetzen – und oft ihrer Zeit weit voraus sind."
Seit 15 Jahren forscht sie zur landwirtschaftlichen Entwicklung, zu sozialem und institutionellem Wandel am Institut für Agrar- und Sozialökonomie in den Tropen und Subtropen der Universität Hohenheim. Seit 2012 ist sie Mitglied des Bioökonomierates. Inspirierend für das Thema Nachhaltigkeit war für sie der „Erdgipfel“, der im Jahr 1992 in Rio de Janeiro stattfand: „Wir - eine Gruppe wissenschaftlicher Mitarbeiter:innen - haben dann in den 1990er Jahren versucht, ein Zentrum für Nachhaltige Entwicklung an der Uni Göttingen zu etablieren.“
Regina Birner leitet seit vergangenem Sommer zusammen mit dem Agrarwissenschaftler Achim Spiller von der Universität Göttingen die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL). Dort sorgt sie dafür, dass die wesentlichen Umwelt- und Agrar-Verbände gemeinsam ein Zukunftskonzept für die Landwirtschaft entwickeln, das sowohl ökologische als wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Für sie ist die ZKL ihr wichtigstes Nachhaltigkeits-Transformationsprojekt. Auch für die Beteiligten entscheidet sich die Zukunft der Landwirtschaft an den erarbeiteten Ergebnissen. Im November legte die ZKL ihren zweiten Bericht vor – ein Meilenstein auf dem Weg zur Transformation der AgriFood-Branche. „Die laufende Mandatszeit endete zwar im letzten November, aber jetzt setze ich mich dafür ein, dass ihre Empfehlungen auch umgesetzt werden“, sagt Regina Birner. Wie sie das schaffen will: „Immer positiv denken und niemals aufgeben!“

Simon Tress
Sterne-Koch und Bio-Pionier
Ohne wen funktioniert die Transformation nicht?
„Am Ende brauchen wir ein Produkt, das den Kunden schmeckt, bzw. den Kunden einen Mehrwert bietet. Transformation der Transformation willen ist nicht hilfreich.“
Simon Tress, Jahrgang 1983, gelingt das, was andere für unmöglich halten: Ein erfolgreiches Sterne-ausgezeichnetes Restaurant ganz weit draußen, irgendwo auf der Schwäbischen Alb bei Hayingen. Und nicht nur das: Ein Sterne-Lokal, in dem ausschließlich mit Bio-Zutaten gekocht wird, vorzugsweise aus der Region, möglichst vom eigenen Demeter-Hof. Auch das reicht noch nicht: Mit weiteren Lokalen und Gasthöfen etwa in Zwiefalten oder im Zeppelin-Museum in Friedrichshafen, mit der Gemeinschaftverpflegung bei Daimler-Benz in Stuttgart, zeigt er, dass Bio auch in der Gastronomie skalieren kann und sich rechnet.
1950 brachte Großvater Johannes Tress den Gedanken der bio-dynamischen Küche aus der französischen Kriegsgefangenschaft mit. Noch im selben Jahr stellte er den Familienbauernhof entsprechend um. Damit begann damit die erfolgreiche Familientradition der Bioproduktion und -gastronomie.
Simon Tress versucht heute den Herkunftskreis aller Produkte immer enger zu ziehen. Sein wichtigstes Transformationsprojekt ist gerade das im Januar eröffnete Gemüselabor. „Die Idee ist es, mit innovativen Ansätzen Gemüse so oft zu zerlegen, bis er Rest dann final zum Beispiel in einer Handcréme oder in der Zahnpasta landet“, sagt er. „Obst und Gemüse ist viel zu wertvoll, um die Hälfte davon wegzuwerfen! Ich will weg von der Espressotasse Abfall. Also hin zum echten „Zero Waste.“