Wenn der Roboter die Nachtschicht übernimmt
Der erste autonome Roboter von AgXeed geht in Deutschland in den Praxis-Betrieb
von Olaf Deininger
Editorial

Olaf Deininger
Chefredakteur Agrar-Medien
Ist Technologie eigentlich branchenneutral?
Manche Experten glauben, dass digitale Technologie, die nun in sämtliche Funktionen von Maschinen und Betrieben einzieht und deren Prozesse steuert, branchenneutral sei. Das mag im Kern stimmen, wenn es etwa darum geht, die Temperatur zu messen, die in einem Motor, Kühlhaus oder Silo herrscht. Doch spätestens eine Schicht darüber sieht die Sache schon anders aus. Das bewies der Fall eines ERP-Systems zur Ressourcenplanung, das eine Metzgerei eingeführt hatte. Nach dem Start stellte der Unternehmer fest, dass die Warenbestände falsch waren. Und zwar richtig. Der Grund: Das System war so angelegt, wie es bei vielen anderen Unternehmen wunderbar arbeitet. Einzelne Komponenten erreichen den Betrieb und werden zu Produkten zusammengesetzt und verkauft. Sie ahnen die Pointe bereits: Bei einer Metzgerei ist es genau umgekehrt. Und so hat jede Branche doch ihre individuellen Abläufe, Methoden und Routinen. Und die müssen auch in den digitalen Ökosystemen der Landtechnik berücksichtigt werden. Das klappt meistens. Bei neuen Anbietern sollte man allerdings ein Auge darauf haben.
„Das ist ein Meilenstein der Landtechnik“, sagt Christian Kutzner, Bereichsleiter im Betrieb Gut Pritzier Milchproduktion in Mecklenburg-Vorpommern, und betrachtet, wie der Roboter sich langsam über das Feld schiebt.
Der AgBot der holländischen Firma AgXeed mit Raupenlaufwerk mulcht Maisstoppeln. Der Betrieb rund 30 Kilometer südwestlich der Landeshauptstadt Schwerin bearbeitet auf drei Standorten insgesamt 4 700 ha (davon 1 700 ha Weideland) und 4 500 Milchkühe. An Kutzners Standort stehen 1 300 Milchkühe.
Ende August wurde das Gerät ausgeliefert. „Wir haben mit dem AgBot schon alles ausprobiert: Grubber, Scheibeneggen, Grubber mit APV-Streuer für Zwischenfrucht“, sagt der junge Mann.
Funktioniert das? „Das Teil macht genau das, was ich vorher eingestellt habe.“ Gestern beim Maishäckseln sei er sogar vom Feld weggefahren und habe die Maschine alleine gelassen: „Ab und zu habe ich auf dem Smartphone geschaut, ob er sich noch bewegt.“ Im Augenblick testet der Bereichsleiter auf eher kleinen Ackerschlägen, wie die Maschine arbeitet. Nach dem Testlauf soll es dann auf die großen Flächen gehen.
Die Grundeinstellungen, Experten nennen das Customizing, habe man zu Beginn praktisch nebenbei gemacht: Um die Fläche aufzumessen, damit die Maschine weiß, wo sie arbeiten soll und wo nicht, wurden die Grenzen der Schläge mit einem digital vernetzten Vermessungsstab abgelaufen. Der Stab sendet diese Geodaten zum Online-Portal und zur App. Und das Portal schickt die Daten zum Roboter. „Das geht so schnell, wie man gehen kann“, meint Kutzner. Um Zeit zu sparen habe man sich mittlerweile ein Quad angeschafft.
Auch Hindernisse, wie etwa Schächte, die in Norddeutschland häufig mitten auf den Feldern stehen, müssen vermessen werden. Zwar bleibt der Roboter bei einem Hindernis stehen, doch wenn er es vorher kennt, dann kann er es umfahren.
Zum Customizing zählt auch, dass die jeweiligen Arbeitsgeräte angelegt werden müssen, damit der Roboter sie identifizieren und steuern kann. Ein Vorteil sei, meint Kutzner, dass die Zapfwelle, die maximal 1 200 Umdrehungen liefern kann, stufenlos variabel einstellbar ist. Sie kann auch in Gegenrichtung drehen. Das spare Geld fürs Winkelgetriebe.
„Wir wollen demnächst damit auch drillen“, sagt der Bereichsleiter, „Spur-an-Spur“. Auch das muss vorher über die App oder am Desktop geplant werden: Gerade zur Fahrgasse oder 15 Grad vernetzt. Das Gerät führt das aus, was vorher eingegeben wird.
Ein Deutz-Dieselmotor treibt beim AgBot einen Generator an, der den Strom liefert, mit dem wiederum die 700-Volt-Elektromotoren für Antrieb und Zapfwelle gespeist werden. Das ist das Prinzip einer Diesellok.
Um die Maschine aufs Feld zu bringen, hat man sich in Pritzier einen Tieflader angeschafft. Umsetzen sei kein Problem, das Auf- und Abladen geschieht in wenigen Minuten.
Hat der AgBot auch die Tests auf den großen Schlägen bestanden, will man im Gut Pritzier die Maschine vorwiegend in der Nacht einsetzen, wo der Roboter dann in Ruhe seine Bahnen zieht und man so zu Spitzenzeiten eine Art zweite Schicht realisieren kann. „Vor allem nach der Erntezeit haben wir immer wenig Leute, um rechtzeitig die Zwischenfrüchte zu drillen“, sagt Bereichsleiter Kutzner. Das soll jetzt anders werden.
Doch man hat auch neue Herausforderungen entdeckt. Das Gerät fährt nicht selbstständig unter Baumkronen, weil es sie als Hindernis wahrnimmt. Bei den menschlichen Maschinenführern war dieses Problem großer Hecken und Knicks mit Überhältern nie ein Problem. Sie sahen ja, wo das Feld endet. Nun, meint Christian Kutzner trocken, müsse man sich eben mehr um die Heckenpflege kümmern.

(V.L.) Philipp Rahn (Bereichsleiter), Jens Bothmann (Inhaber), Sebastian Birx (Sales & Service Agxeed), Christian Kutzner (Bereichsleiter) Und Martin Habermann De La Motte (Bereichsleiter Rinderzucht)
Foto: Privat