Smart und handfest in die Zukunft
Richtige Balance von Mensch und Maschine gefragt
Auch in Zukunft werden landwirtschaftliche Betriebe neben aller Innovation noch ganz konventionell arbeiten. FOTO: IMAGO/RECH
Smart und handfest in die Zukunft
Richtige Balance von Mensch und Maschine gefragt
Auch in Zukunft wird neben aller Innovation auch noch ganz konventionell der Boden bearbeitet werden. FOTO: IMAGO/RECH
Bereits heute stellt sich Gustav von Wedemeyer auf die Zukunft ein. Getestet werden Hacken und Striegel für die Unkrautbekämpfung. Zudem ist ein Ökobetrieb innerhalb der Landwirtschaftsbetriebe Diekhof GmbH & Co. KG und der Schwasdorf GmbH & Co. KG entstanden. Roboter als Zukunftsmodell dagegen stuft der Betriebsleiter aus Laage bei Rostock eher kritisch ein.
Gustav von Wedemeyer stellt sich gemeinsam mit seinen Mitarbeitern auf die künftigen Anforderungen des EU-Nachhaltigkeitsprogramms Green Deal ein beziehungsweise ist damit bereits jeden Tag konfrontiert. Mit Hacken und Striegeln testen von Wedemeyer und seine Mitarbeiter alternative Bekämpfungsmittel zu chemischem Pflanzenschutz für Beikräuter in Körnermais und Zuckerrüben. Auf einem eigens gegründeten Biobetrieb in seinen beiden Landwirtschaftsbetrieben probiert er alternative Bewirtschaftungsmethoden aus. Hier handelt es sich allerdings „nur“ um reines Grünland. Jedoch findet er dort guten Absatz für das Bioheu und sieht diesen Schritt als Lernprozess für die Beantragungen bei der Entscheidung für die Umstellung von konventioneller auf Ökolandwirtschaft. Eine Erkenntnis: Der Aufwand bei der Umstellung auf einem Marktfruchtbetrieb wäre deutlich höher.
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Mit Pflug und Mulchsaat
Ansonsten ackert von Wedemeyer auf den beiden Betrieben in Mecklenburg-Vorpommern sehr konventionell. Der Pflug wird aber genauso eingesetzt wie die Mulchsaat. Und natürlich setzt er Zwischenfrüchte ein und hat seine Fruchtfolge in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Mit diesen Maßnahmen reagiert er auf die Reduzierung des Angebots an Pflanzenschutzmitteln. Schlussendlich liegen seine Flächen zu 80 Prozent im „roten Gebiet“. Rund 25 ha können auf den 2.221 ha Ackerland aus diesen Gründen nicht für die Produktion von Lebensmitteln genutzt werden. Der aktuelle Maschinenpark ist auf die Bedürfnisse des Betriebes eingestellt. Smart Farming ist dabei für Gustav von Wedemeyer kein Fremdwort und findet auf dem Betrieb in einigen Bereichen Anwendung. „Wir sind noch nicht voll auf diese Systeme umgestellt, aber wichtige Bereiche sind abgedeckt.“ So ist bei der Aussaat die Bodenfeuchtekarte im Einsatz; es wird beispielsweise automatisch entschieden, dass in den humosen Senken weniger Körner ausgebracht werden müssen. Auch die Düngergabe wird an die Bodenbegebenheiten angepasst. Und die Pflanzenschutzspritze bringt beispielsweise dort mehr Menge an Halmverkürzern aus, wo die Nährstoffnachlieferung höher ausfällt. Auch die Mähdrescher laufen automatisch – wenn auch (noch) nicht vollautonom: „Wir benötigen allerdings immer jemanden auf den Maschinen, der die Funktionen überwacht“, fügt der Betriebsleiter hinzu.
Fortschrittlichkeit schlägt Größe
Die Zukunft der Maschinen sieht der Agraringenieur nicht in der Größe der einzelnen Objekte. „Allein der technische Fortschritt ist entscheidend“, findet der 29-Jährige. „Vorrangig muss Ziel werden und bleiben, Betriebsmittel einzusparen. So ist anzustreben, beispielsweise das Saatgut noch präziser abzulegen und damit die Kosten für diesen Arbeitsgang zu reduzieren.“ Auch die gezielte Gabe von Pflanzenschutzmitteln sieht er als eine Möglichkeit für eine bessere Kostenstruktur in den Betrieben. Speziell bei den Herbiziden sieht er diesen Weg versus den Einsatz von Hacken. Und Roboter als Zukunftsmodell auf den Betrieben? Für Gustav von Wedemeyer ist das keine Antwort auf jede Fragestellung. „Neben der Produktion von Lebensmitteln sind wir als landwirtschaftliche Betriebe immer auch eine soziale Anlaufstation für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Auch im Dorf können wir diese Funktion zum Teil miterfüllen. Reine Roboter wären da eher fehl am Platz“, so schmunzelnd die Einstellung des weitdenkenden Betriebsleiters.
Roboter als Mitarbeiter
Dennoch: Die Entscheidung pro oder contra eines Roboters wird nach seiner Auffassung zukünftig vor allem finanzielle Gründe haben. So erwartet er für die kommenden Jahre durchaus noch eine weitere Welle der Aufgabe von Betrieben, auch von Unternehmen mit einer durchaus akzeptablen Hektarausstattung. Die Nachfolgefrage wird in Zeiten gut ausgebildeter junger Leute nicht einfacher. Und die Suche nach geeigneten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist bereits heute eine Herausforderung. „Wer will noch am Wochenende oder in der Ernte nachts arbeiten? Zudem werden die Lohnkosten steigen“, blickt von Wedemeyer in die Zukunft. Auch Roboter können eine Antwort auf den Arbeitskräftemangel sein. Und dann noch weniger Subventionen von der EU. Die Landwirtschaft wird immer mehr zu einer Passionsfrage.
Smart und handfest in die Zukunft
Betriebsleiter Gustav von Wedemeyer ist offen für Künstliche Intelligenz, sofern sie Arbeitsprozesse erleichtert.
Foto: Privat
Offen für Künstliche Intelligenz
Die Anforderungen des Green Deal sind bereits heute fester Bestandteil im Betrieb. Weniger Düngemittel, weniger Pflanzenschutzmittel – für einen Ausgleich werden Lösungen gesucht. „Wir haben zwar gelernt, mit geringeren Mengen beim Einsatz dieser Betriebsmittel auszukommen. Die Produktion von Qualitätsgetreide und der höhere Einsatz von Dünger wird damit aber in andere Länder verlagert“, so seine Einstellung dazu. „Wenn wir auf unseren guten Standorten nur noch Futtergetreide produzieren und keine höheren Qualitäten erzeugen können, werden wir die Mahlqualitäten importieren müssen. Das kann nicht zielführend sein.“ Und auch das Verbot von Glyphosat und das Vorantreiben der Ökolandwirtschaft sieht er kritisch. „Damit werden zwar Pflanzenschutzmittel eingespart, der CO2-Ausstoß aufgrund der häufigeren Überfahrten auf den Flächen aber erhöht.“ Für ihn ist das der falsche Ansatz. Eine Form der Hybridlandwirtschaft schätzt der Betriebsleiter als vorteilhafter ein. Dennoch sucht er in seinem Betrieb immer wieder nach kleinen Stellschrauben für eine Lösung. Und die kann auch der Einsatz von Pflanzenkohle im Kuhstall bedeuten. In der Einstreu, im Futter und in der Gülle ist sie ein Gegenspieler zur CO2-Emission. Auch zur Künstlichen Intelligenz hat von Wedemeyer eine eindeutige Einstellung: „Man darf sich ihr nicht verschließen. Sie wird in der Zukunft zunehmend eine Rolle spielen. Ziel muss aber sein, dass die Arbeitsprozesse einfacher, verschlankt werden. Entscheidungen kann Künstliche Intelligenz uns nicht abnehmen. Wir arbeiten immer noch mit Pflanzen und Tieren. Ein Computer wäre mit einer Blitzgeburt bei einer Kuh sicherlich überfordert“, so der gebürtige Niedersachse. So schätzt er die Übernahme von allen Arbeiten auf einem landwirtschaftlichen Betrieb durch Roboter als eher unwahrscheinlich ein. „Ich will schließlich nicht nur noch Überwacher aller Prozesse sein, sondern sie auch noch aktiv mitgestalten. Mir macht mein Beruf Freude“, so sein Fazit. Dennoch bereitet ihm der Blick auf die Zukunft auch eine gewisse Sorge: „Im Moment sind wir in der Landwirtschaft zu einem gewissen Grad in der Minderheit und die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Arbeit werden immer enger.“ So sieht er beispielsweise die vorgegebenen Arbeitszeiten besonders in der Ernte als schwierig an. „Unsere Mitarbeiterschaft brennt in der Ernte für den Betrieb, wenn es gilt, die Arbeit des ganzen Jahres einzufahren“, ist er froh über die Einstellung seiner Belegschaft, die in der Hauptsaison auch Überstunden in Kauf nimmt. Aber auch die zunehmende Versiegelung der Flächen stimmt ihn nachdenklich. „Wir brauchen die Fläche, um die Bevölkerung versorgen zu können, vor allem auf unseren Gunststandorten“, so seine Einstellung. Bei einer zunehmenden Ökologisierung fallen zudem die Erträge geringer aus. „Ich will nicht, dass wir in Deutschland einmal Wald roden müssen, um landwirtschaftliche Fläche generieren zu müssen. Dann sind wir auch nicht besser als die Betreiber der Sojaplantagen in den Amazonasgebieten.“
Von Dagmar Hofnagel